Lebensgeschichten

Edit Sandor Kleinbarth (1931- ) – Als Zirkuskind im Zweiten Weltkrieg

Edit Sandor Kleinbarth wurde 1931 in Budapest geboren. Sie war die Tochter von Sandor und Elise Kleinbarth. Ihr Vater, aus einer „privaten“ ungarischen Familie kommend, hatte sich im tschecheslowakischen Zirkus Henry die Kunst des Schulreitens angeeignet. Auch Kleintierrevuen mit Affen, Ponys und Esel wurden von ihm einstudiert und vorgeführt. Die Mutter entstammte indes aus Zirkusgeschlecht und war eine geborene Althoff. Die Eltern von Edit Sandor Kleinbarth hatten bis 1939 wechselnde Arrangemangs in verschiedenen europäischen Varietés und Zirkussen. Von Frühjahr 1939 bis über das Kriegsende 1945 hinaus waren sie im Zirkus Helene Hoppe engagiert. Oskar Hoppe, der Ehemann Helene Hoppes, galt den nationalsozialistischen Herrschern als „politisch unzuverlässig“. Offiziell führte aus diesem Grund Helena Hoppe, eine geborene Althoff und Verwandte von Edit Sandor Kleinbarth, das Unternehmen. Während die Direktionsfamilie von Sandor Kleinbarths jüdischem Familienhintergrund wusste, war dies Tochter Edit nicht bekannt. Sie erfuhr dies erst nach dem Krieg. Im Zirkus Helene Hoppe fühlte sich die Familie in Sicherheit. In ihren Memoiren hielt Edit Sandor Kleinbarth das kosmopolitische Mileu im Zirkus fest, das auch im Krieg fortbestand. Sie erinnerte sich an Artisten, Arbeiter und Musiker aus Deutschland, Italien, Japan, Österreich, der damaligen Tschechoslowakei und Ungarn. Auch gastierte man während des Krieges im Ausland. Nach Angaben Edit Sandor Kleinbarths ging es dem Zirkus im Krieg wirtschaftlich gut. Auch für das Futter der Tiere war gesorgt. Im Frühjahr 1944, mit 13 Jahren, erhielt Edit Sandor Kleinbarths ihren ersten Arbeitsvertrag. Das Kriegsende kam für sie und ihre Eltern im September 1944 während eines Gastspiels des Zirkus Hoppe in Luxemburg, als amerikanische Truppen in der Grafschaft eintrafen. Im Juli 1945 spielte das Unternehmen Hoppe als deutscher Zirkus schon wieder für amerikanische Soldaten in Frankreich. Im Herbst 1945 verließen Edit Sandor Kleinbarth und ihre Eltern den Zirkus Hoppe. Nach verschiedenen Engagements, u. a. in Nordafrika, entschieden sich die Eltern Edit Sandor Kleinbarths 1950, ein Angebot aus Finnland anzunehmen. Auschlaggebend hierfür waren positive Erfahrungen aus früheren skandinavischen Engagements. Die traditionellen Sicherheitsstrategien der Zirkusleute, wie Verstecken im Zirkuswagen – Tierpfleger Ernst Späth hatte keine Ausweispapiere – oder die Zirkussprache als geheimes Kommunikationsmittel, waren indes nicht in Vergessenheit geraten.

Autor: Malte Gasche

Quelle: Edit Sandor Kleinbarth: Balleriina hevosen selässä. Vaajakoski 2008.