Lebensgeschichten

Micaela Busch (1913–1969) Die tragische Geschichte der jüngsten Schulreiterin Deutschlands

Micaela Busch (1913–1969)

Die tragische Geschichte der jüngsten Schulreiterin Deutschlands

Constance Micaela Busch wurde in dritter Generation in eine der ältesten Zirkusdynastien von Deutschland geboren. Der Zirkus Busch wurde von ihrem Großvater Paul Busch und ihrer Großmutter Constance am 29. Juni 1884 in Svendborg Dänemark gegründet.  1888 übersiedelte der Zirkus nach Deutschland. Drei Jahre später eröffneten sie ein Zirkusgebäude in Altona.

Ihre Mutter Paula Busch heiratete den Gymnasialprofessor Dr. Alois Uhl in 1911 und zwei Jahre später, am 7. Mai 1913, kam Micaela zur Welt. Micaela war während ihrer Jugend Mitglied der Freien Sozialistischen Jugend und wurde dadurch schon früh antinazistisch geprägt. Sie begann Medizin zu studieren, brach dieses Studium jedoch ab und wurde die jüngste deutsche Schulreiterin ihrer Zeit. Ihr Lehrer war Karl Reinsch und ihr Debüt hatte Micaela zusammen mit der Altmeisterin Therese Renz.

1934 ordnete Hitler im Zuge der Neubauplanungen für die deutsche Hauptstadt den Abriss des festen Zirkusbaus der Buschs in Berlin an. Um den Einnahmeverlust in Berlin auszugleichen, übernahm Paula Busch 1935 für eine Summe von 200.000 RM das reisende Zirkusunternehmen der (halb-) jüdischen Familie Strassburger. Der neue Zeltzirkus Busch reiste hauptsächlich durch Deutschland und wurde von Micaela und ihrem Ehemann Emil Wacker geleitet, den sie am 19. August 1938 heiratete. Aus dieser Verbindung stammte Sohn Paul Busch, der am 15. März 1937 zur Welt kam. Nach der Scheidung mit Wacker 1942 war Micaela alleinverantwortlich für das Unternehmen, das nun als Circus Micaela Busch firmierte. Paula Busch kümmerte sich ausschließlich um die Festbauten in Hamburg und Breslau (polnisch Wroclaw).

Micaela Busch in den 1930er Jahren (Zirkusarchiv Winkler, Berlin)

Im Sommer 1937 war es schließlich zum Abriss des Berliner Zirkusgebäude der Familie Busch gekommen und Paula Busch war es nur mit Mühe gelungen, einen Neubau zu beantragen. Die Baupläne wurden mehrere Jahre ausgearbeitet, jedoch schlussendlich nicht ausgeführt. Micaela war seinerzeit von der Schließung des alten Zirkusgebäudes so empört, dass sie mit einer Pistole bewaffnet in das Stadtzentrum fahren wollte mit der Absicht den Stadtkommissar zu erschießen. Ihre Mutter Paula Busch konnte sie gerade so von diesem Vorhaben abbringen.

Im Frühjahr 1943 war Hans Strassburger aus den Niederlanden mit eigenen Tiergruppen zu Busch nach Breslau gekommen, wo er u.a. gemeinsam mit Micaela die Hohe Schule ritt. Noch im gleichen Jahr wurde Hans Strassburger zur Wehrmacht eingezogen. Nach einigen Monaten wurde er wieder aus dem Dienst entlassen und kehrte zum Zirkus Busch und seinen Tieren zurück. Im November 1943 erfuhr Micaela, dass sie der Gestapo gemeldet worden war. Ihre Privatsekretärin hatte sie mit dem Vorwurf der Begünstigung von Juden angezeigt.

Micaela entschied, sich mit ihrem Sohn Paul und Hans Strassburger ins Ausland abzusetzen. Das gelang mit Unterstützung der Geschwister Gilbert, Sacha und Nadia Houcke, die ebenfalls Tiernummern im Zirkus Buschs vorführten.  Die aus einer alten Zirkusaristokratie stammenden Houckes hatten neben der französischen auch die schwedische Staatsbürgerschaft und unterhielten einen kleinen Zirkus im Furuviksparken, einem Zoo- und Vergnügungspark in Gävle in Mittelschweden. Dort kehrte die Gruppe aus Breslau mit Pferden, Elefanten und Tigern ein. Durch die baldige Eheschließung mit dem schwedischen Rekordschwimmer Sven Gerhold, die jedoch nicht lange hielt, erlangte Micaela die Staatsbürgerschaft Schwedens. Der Besitz dieser half Micaela, dass ihre Tiergruppen nach Kriegsende nicht durch die Alliierten beschlagnahmt wurden.

In der Nachkriegszeit führte Micaela zusammen mit Hans Strassburger den Zirkus Suecia. Dabei handelte es sich um eine Firma für Tiergruppen, mit denen Micaela und Hans Strassburger ins Engagement gingen oder die sie vermieteten. 1948 ging Paula Busch zu ihrer Tochter nach Schweden. Sie hatten einander seit Micaelas Flucht aus Breslau nicht mehr gesehen. 1951 traten Micaela Busch und Hans Strassburger mit ihren Pferden und Elefanten beim Circus Roland in der BRD auf. 1952 gründeten Paula und Micaela Busch einen neuen Circus Busch, im Programm waren u.a. alle Tiergruppen der schwedischen Firma Suecia und mehrere Artisten aus Schweden. Micaela entschloss sich jedoch, nach nur einer Spielzeit das mütterliche Unternehmen zu verlassen und im November 1952 mit einem eigenen Zirkus auf Ostasientournee zu gehen.

Für Micaela war es anfangs ein erfolgreicher Schritt gewesen. Sie verblieb 1953 in Ostasien. Ihr Zirkus war Teil der Dreharbeiten zum Film „Sterne in Colombo“ der ihr große Erfolge feiern ließ. Über eine halbe Million Besucher zählte das Haus und so wollte sie die Tour über Malaysia, Siam und Indochina verlängern. Diese Entscheidung sollte jedoch das Ende ihres Unternehmens sein. Um nach Singapur zu gelangen, ließ Micaela sich von einem einheimischen Geldgeber die Reisekosten vorstrecken, der 40% ihrer Tageseinnahmen verlangte und in Hong Kong veruntreute ein chinesischer Manager rund 40 000 DM. Diese Ereignisse brachten den Zirkus in Zahlungsschwierigkeiten. Hinzu kamen politische Unruhen in der Region, die Micaela nicht erlaubten nach Indochina, Siam und Indonesien zu reisen. Schließlich wurde ihr Zirkus 1954 in Manila wegen Zahlungsunfähigkeit beschlagnahmt. Damit war Micaelas Traum mit den Einnahmen nach Deutschland zurückzukehren und ein neues Zirkusgebäude zu errichten ausgeträumt.

In den Spielzeiten 1957 und 1958 tourt Micaela als künstlerische Leiterin mit dem schwedischen Zirkus Mijares-Schreiber in Finnland. 1960 kehrten sie nach Deutschland zurück, um Mutter Paula bei der Geschäftsführung eines neuen Zirkusprojekts zu unterstützen. Auch war sie im Programms als Schulreiterin zu sehen. Als der neue Zirkus 1961 in Konkurs ging, reiste Micaela noch in derselben Nacht nach Schweden ab, wo sie mit kurzen Unterbrechungen den Rest ihres Lebens verbrachte. Am 24. September 1969 starb Micaela Busch aufgrund eines Krebsleidens.

Autor: Johanna Prantz

Hauptquellen:

Busch, Paul: Mein Leben – Ein Zirkus. Berlin 2001.

Busch, Paula: Das Spiel meines Lebens. Erinerungen. Berlin 1992.

Nissing, Herbert St.: Strassburger. Geschichte eines jüdischen Zirkus. Dormagen 1993.

Winkler, Gisela: Zirkus Busch. Geschichte einer Manege in Berlin. Berlin 1998.

Herzlichen Dank auch an Dietmar und Gisela Winkler, die den Text kommentiert und mit ihrem Wissen ergänzt haben.