Lebensgeschichten

Die Zirkus-Menagerie der Michelets und ihre Verbundenheit mit der Stadt Gièvres

Die Familie Michelet besaß jahrzehntelang einen reisenden Menagerie-Zirkus. Dieser firmierte zunächst als „Ménagerie Lorraine Giacometti“, später als „Cirque-Ménagerie Michelet“. Nachrichtenartikel und geschaltete Anzeigen in Tagesanzeigen geben an, dass dieses ambulante Gewerbe der Familie Michelet seinen Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm. Auf Tournee ging die Familie Partnerschaften mit anderen bekannten Zirkusunternehmen wie Albus und Grüss/ Gruss ein. Der ehem. Journalist Henri Thétard, selbst einst ein Raubtierdompteur und Zirkushistoriker, erwähnte in seinem Buch das Unternehmen der Michelets nur als reisende Menagerie. Die frühe Nutzung von Zugmaschinen kann als Zeichen des finanziellen Wohlstands der Familie gedeutet werden.

Am Ende des Ersten Weltkrieges entschied sich Paul Michelet für eine permanente Niederlassung in Gièvres, das in Zentralfrankreich liegt. Laut einem seiner Nachkommen, Marcel Michelet, wurden sie von der Gemeinde sehr willkommen geheißen, die kein Problem darin sah, dass eine sogenannte „Nomaden“-Familie Gièvres als Wohnsitz gewählt hatte. In den 1920er Jahren ließen sich auch andere Zirkus- und Schaustellerfamilien in Gièvres nieder. Die Stadt wurde dann damit zu einem konzentrierten Heimatort französischer Zirkusfamilien. Außergewöhnliche Grabstätten des kommunalen Friedhofs erinnern an den Zirkushintergrund der verstorbenen Angehörigen.

Noch heute erinnern sich ältere Bewohner von Gièvres an die kolportierende Geschichte über Mutter Michelet, die vor ihrem Haus auf einer mit Schlangen gefüllten Kiste gesessen haben soll. Zur örtlichen Erinnerung gehört auch die Erzählung von wilden Löwen in Gièvres, die auf dem Kirchplatz gewandert sein sollen. Viele Einwohner von Gièvres sind auch heute noch Wohnwagenbesitzer, die vor allem für religiöse Pilgerfahrten im Frühling und Sommer genutzt werden. Nach der letzten Volkszählung im Jahr 2010 haben sich 500 von 2500 Gièvres-Einwohnern als Fahrende zu erkennen gegeben.

Während des Zweiten Weltkriegs betrachteten die französischen Behörden die Michelets, auch wenn diese über festen Wohnsitz in Gièvres verfügten, immer noch als eine „Nomaden“-Familie. Die Familie wurde arretiert und in das Internierungslager Montreuil-Bellay gebracht (siehe auch das Schicksal der Familie Sénéca). Aus den Dokumenten der französischen Behörden aus dieser Zeit geht hervor, dass die Familie aufgrund ihres „Verhaltens, ihrer Moral und ihrer Erwerbsfähigkeit“ jedoch als zuverlässig eingestuft wurde. Immobilienbesitz in Gièvres und die allgemeine gute Finanzausstattung waren sicherlich mitauschlaggebend, dass einige Familienmitglieder vorzeitig aus dem Lager entlassen wurden. Die letzten Familienmitglieder konnten 1944 Montreuil-Bellay verlassen und nach Gièvres zurückkehren.

Nach dem Krieg benannte die Stadt Gièvres die Clemenceau-Straße, in der die Michelets ihr ersten Häuser gebaut hatten, in Löwen-Straße um. Heutzutage haben die Michelets ihr reisendes Gewerbe aufgegeben. Sie kommunizieren sehr aktiv ihre Familiengeschichte, insbesondere in sozialen Netzwerken.

Autor: Laurence Prempain, nach einer ersten Vorlage von Bruna lo Biundo

Quellen:

Archives départementales Maine-et-Loire. Adrian Paul, Sur le chemin des grands cirques voyageurs. Bourg-la-Reine, Adrian, 1959; Asséo, Henriette, Les Tsiganes. Une destinée européenne. Paris, Gallimard, 1994; Chahine, Marwa, « J’étais résistant, Monsieur. J’ai défendu mon pays », Libération, 23 juillet 2010; Filhol, Emmanuel, « L’indifférence collective au sort des tsiganes internés dans les camps français, 1940-1946 ». Guerres mondiales et conflits contemporains, n° 226, 2007, pp. 69-82; Jacob Pascal, Les métiers du cirque, histoire et patrimoine. Portet-sur-Garonne, Loubatières, 2013; Jacob Pascal, Une histoire du cirque. Paris Seuil 2016. Thétard, Henry: Les Dompteurs ou la Ménagerie des origines à nos jours. Paris 1928.